Interview mit P. Zvonimir Pavičić
„Die Muttergottes spielt in meinem Leben eine sehr große Rolle“
Interview mit Zvonimir Pavičić, der seit August 2022 Pfarrer von Medjugorje ist. Von Mag. Marija Stelzer
Lieber Pater Zvonimir, Sie haben trotz Ihrer jungen Jahre schon eine lange persönliche Beziehung zu Medjugorje und zur Muttergottes, der Gospa. Könnten Sie uns etwas darüber erzählen?
Ich kann sagen, dass die Muttergottes in meinem Leben eine sehr große Rolle spielt. Ich komme aus Siroki Brijeg, einer Pfarre, die der Aufnahme Mariens in den Himmel geweiht ist. Wir verehren die Muttergottes von Siroki Brijeg. Ich bin aufgewachsen in einer marianischen Spiritualität und seit meiner Kindheit mit der Muttergottes sehr vertraut. Es war kein Kirchenbesuch für mich denkbar, ohne dass ich die Muttergottes-Statue aufgesucht habe. So auch während der Mittelschule. Jeden Morgen vor Schulbeginn bin ich kurz in die Kirche gegangen und bin vor ihrer Statue kurz im Gebet verweilt. Ich habe ihre mütterliche Fürsprache und ihren Schutz gesucht. Das habe ich in meiner Familie so gelernt – wenn ich Antworten im Leben gesucht habe, habe ich mich der Muttergottes anvertraut. Das war für mich eine Zeit, wo ich, wie alle jungen Menschen in diesem Alter, meinen Weg und meine Orientierung gesucht habe.
Ich kann sagen, dass die Muttergottesverehrung mich sehr geprägt hat. Ich kann mir mein christliches Leben überhaupt nicht ohne die Muttergottes vorstellen. In meiner Familie haben wir jeden Tag den Rosenkranz und die Litaneien zur Muttergottes gebetet. So war sie für mich immer präsent, besonders hier in Medjugorje. Schon als kleine Kinder hat uns meine Mutter regelmäßig nach Medjugorje mitgenommen. Mindestens einmal im Monat waren wir auf dem Erscheinungsberg, auf dem Kreuzberg und beim Abendprogramm in der Kirche. Ich erinnere mich an das Rosenkranzgebet auf dem Erscheinungsberg und wie ich mich gefreut habe, wenn mich P. Slakvo oder andere Patres gefragt haben, ein Gesätzchen vorzubeten. Ich erinnere mich auch an Personen aus der Pfarre, die mir damals, als kleiner Bub, einen Rosenkranz geschenkt haben – und jetzt darf ich ihr Pfarrer sein. Mein ganzes Leben ist geprägt von Maria und der marianischen Spiritualität und natürlich mit Medjugorje sehr verbunden. Wir sind immer gerne nach Medjugorje gekommen und haben uns immer über das Abendprogramm in der Kirche gefreut. Da konnten wir uns geistig stärken, die Beichte ablegen und einen inneren Frieden erfahren. Diese Pilgerfahrten waren für uns immer wie Nahrung für unser Leben. Es gab auch Pilgerfahrten der Franziskaner-Jugend von Siroki Brijeg aus, und während der Fastenzeit sind wir immer wieder auch zu Fuß nach Medjugorje gegangen. Da war das Gebet und Opfer ein einem.
Sie stammen aus einer kinderreichen Familie. Wir habt ihr Zeit für das Gebet gefunden?
Ich bin das jüngste von sechs Kindern. Beide meiner Eltern haben sich bemüht, dass wir im Glauben erzogen werden. Mein Vater war bis zu seinem 65. Lebensjahr Gastarbeiter in Deutschland. Wir haben praktisch getrennt voneinander gelebt, wodurch mein Vater oft nicht da war. Aber meine Mutter war sehr entschlossen in dem, wie sie uns geführt hat. Wir haben jeden Morgen und Abend gebetet, ohne Unterlass. Natürlich, wenn mein Vater aus Deutschland zu Besuch kam, hat er auch immer mit uns gebetet. Wenn auch nur mehr zu zweit, da meine Geschwister in der Zwischenzeit ihre eigenen Familien gegründet haben, beten meine Eltern auch heute noch täglich gemeinsam.
Als Kind habe ich natürlich nicht immer gleich gerne mitgebet, aber danach war ich immer glücklich darüber. Es ist sehr wichtig, dass die Familien zusammen beten. Es gibt viele Leute, die sagen, sie beten einzeln in der Familie. Aber ich sage, bitte betet zusammen, das hat viel Kraft. Manchmal war es so, dass ich lieber einen Film anschauen oder mit Freunden unterwegs sein wollte. Dann haben wir die Mama überredet, früher mit uns zu beten, um später etwas anderes unternehmen zu können. Jetzt, als Erwachsener, verstehe ich, was für eine Gnade dieses gemeinsame Familienfest für uns war und wie sehr dieses Gebet für jeden von uns wichtig war. Ich würde auch sagen, dass die Familien zusammen beten sollen, weil das Gebet sie zusammenhält. Manchmal muss man auch Dinge der Gebetszeit unterordnen und dem Gebet den Vorrang geben. Wir haben dann auch die Zeit in der Familie genossen, wenn wir gemeinsam das Abendgebet verrichtet und später zusammen einen Film angeschaut haben. Nehmen wir uns auf jeden Fall Zeit für das Familiengebet.
Ja, das ist die Antwort auf den Ruf der Gospa in Medjugorje, und Ihre Familie hat das offensichtlich gemacht.
Sie sind einer der jüngsten Pfarrer, den Medjugorje je hatte. Wie sehen Sie diese Aufgabe und gibt es bestimmte Schwerpunkte, die Ihnen ein besonderes Anliegen sind?
Vor allem liegt es mir am Herzen, dass das Abendprogramm in Medjugorje so erhalten bleibt, in seiner Originalität und Schlichtheit wie es ist, in Würde und Schönheit und in besonderer Aufmerksamkeit für die Liturgie, die sich ereignet. Die Liturgie ist die Zeit und der Ort unserer Begegnung mit Gott und deswegen das wichtigste, was der Pilger in Medjugorje erfahren kann.
Ich muss gestehen, dass ich nicht ein Mensch bin, der bestimmte Mottos oder Versprechen geben möchte. An erster Stelle bin ich Ordensmann und das bedeutet, dass ich Mitglied einer Gemeinschaft, der herzegowinischen Franziskanerprovinz, bin. Die Oberen meines Ordens haben beschlossen, dass ich Pfarrer von Medjugorje werden darf. Sie denken, dass ich diese Aufgabe schaffen werde und die Pfarre leiten kann. Natürlich war mein erster Gedanke, dass das für mein Alter und meine Lebenserfahrung zu viel sein könnte. Aber dann dachte ich, wenn die Oberen und die Gemeinschaft jemandem eine bestimmte Aufgabe anvertrauen, dann tun sie das aus der Überzeugung, dass diese Person auch dazu fähig ist. Wegen ihrer besonderen Fürsorge für Medjugorje haben sie das auch nicht ohne sorgfältige Überlegung gemacht. Letztendlich wollte ich meine Gemeinschaft nicht in Verlegenheit bringen, indem ich das ablehnen würde. Ich habe einfach an mein Gelübde des Gehorsams gegenüber dem Provinzial gedacht und beschlossen, es als Ordensmann einfach anzunehmen. Natürlich habe ich etwas zu kämpfen gehabt mit meinem und dem Willen Gottes. Aber als Ordensmann entschied ich mich, meinen Willen auf die Seite zu stellen und dem Willen Gottes zu folgen, denn nach meinem Wille hätte ich einen leichteren Weg gesucht. Mich selber hätte ich niemals als Pfarrer an so einem Ort gesehen. Mein ganzes Leben habe ich auf Vorbilder geschaut und so möchte ich mein Leben als Ordensmann zu 100% leben und dazu gehört auch der Gehorsam. Ich weiß aus der Erfahrung anderer Menschen, dass alles gut geht, wenn ein Ordensmann seinen Oberen in Gehorsam ergeben ist und ihre Entscheidungen als Willen Gottes annimmt. Für mich gilt es jetzt: Nimm die Aufgabe an, die dir anvertraut wurde und setzte sie in die Praxis um. Natürlich werde ich alle Fähigkeiten und meine ganze Zeit dafür geben. Da ich schon als Ordensmann mein ganzes Leben dem lieben Gott anvertraut habe, habe ich kein Problem damit, mich auch als Pfarrer vollkommen hinzugeben, und ich glaube, dass ich ein guter Pfarrer werde, wenn ich nicht nur auf meine Qualitäten baue. Vor allem suche ich dabei Gottes Segen und seine Kraft und die Fürsprache der Königin des Friedens, damit sie alles lenkt. Die Menschen sagen, dass das der Wille Gottes ist, aber ich sage, wir werden das erst in ein paar Jahren sehen, wie sehr es der Wille Gottes ist. (Pater Zvonimir schmunzelt) Es ist natürlich so, dass man an so einem Ort Gottes Segen und den Schutz der Muttergottes ständig erbittet. Die Gospa sagt: „Der Allerhöchste hat mir erlaubt, so lange Zeit mit euch zu sein.“ Deswegen habe ich auch keine Angst, weder um die Pfarre, noch um die Pilger oder die Ereignisse von Medjugorje. Weil wir alles der Muttergottes anvertrauen dürfen, da sie dies alles selbst angefangen hat und mit ihr auch alles einmal in Erfüllung gehen wird. Und so haben wir keine Angst und gehen mit ihr freudig in jeden neuen Tag.
Sie wurden vor kurzem zum Treffen der Medjugorje-Pilger nach Knock in Irland eingeladen. Werden Sie sich Zeit nehmen können, solche Treffen der Medjugorje-Gemeinschaft, die weltweit stattfinden, gelegentlich zu besuchen?
Den Willen dazu habe ich auf jeden Fall und ich hoffe sehr, dass ich die Zeit dazu haben werde. Irland ist mir auch ans Herz gewachsen, weil ich als Student einen Sommer dort verbracht habe, um Englisch zu lernen. Dadurch kenne ich dort auch einige Pilgerfamilien, weshalb es mir eine große Freude war, die Einladung anzunehmen. Ich bin sehr beeindruckt davon, wie die Menschen die Botschaften von Medjugorje in ihrem Leben umsetzen und vor allem, was für ein intensives Gebetsleben sie führen. Das war natürlich auch für mich als Pfarrer ein Impuls, dass ich offen bleibe, wenn mich jemand einlädt. Natürlich kann ich nicht immer zusagen, aber in ruhigeren Zeiten des Jahres gibt es sicherlich mehr Chance, an solchen Treffen teilzunehmen. Aber natürlich, wenn ich persönlich nicht kann, so wäre es möglich, dass der Apostolische Visitator und der Pfarrer jemanden delegieren, der einen Gruß und ein Wort aus Medjugorje überbringen kann.
Das heißt, dass wir vielleicht auch einmal die Chance haben werden, Sie bei unserem jährlichen Medjugorje-Friedensgebet im Wiener Stephansdom begrüßen zu dürfen. An dieser Stelle schon jetzt eine herzliche Einladung!
In Medjugorje spielt Musik eine große Rolle, ich denke an die liturgischen Feiern und natürlich an das Mladifest. Als Diakon und Priester haben wir Sie in der Vergangenheit schon immer wieder bei den Gottesdiensten singen gehört und wissen daher, dass Sie eine besondere Begabung dafür besitzen. Haben Sie Musik studiert?
Ich habe Gesang zwar nicht studiert, aber ich stamme aus einer sehr musikalischen Familie. Meine Schwester unterrichtet Kirchengesang und auch alle anderen Geschwister betreiben Musik. Ich habe mein Leben lang Klavier gespielt, aber dem Kirchengesang habe ich mich eigentlich erst gewidmet, als ich in den Franziskaner-Konvent eingetreten bin. Dort begann ich mich musikalisch zu entwickeln und habe vor allem Werke von J.S.Bach studiert. Als ich dann das Theologiestudium angefangen habe, inskribierte ich mich in alle möglichen musikalischen Fächer. So durfte ich fünf Jahre lang Klavier- und Gesangsunterricht sowie zwei Jahre lang Stunden in Dirigieren nehmen, aber auch Musiktheorie und Chorleitung lernen. Als junger Theologiestudent habe ich Liturgiewissenschaft und alle liturgischen Fächer sehr geliebt und mich in diesem Bereich profilieren können. Ich habe auch eine Sendung auf Radio Mir Medjugorje über den liturgischen Gesang, jeden Freitagabend, die mittlerweile schon in die vierte Staffel geht. So bemühe ich mich, die Menschen für die Liturgie zu begeistern und sie zu unterrichten, vor allem darin, dass sie darauf achten, welche Musik bei der Eucharistiefeier gespielt wird, damit sie sensibler für die liturgische Feier werden. Das ist ein Herzensanliegen von mir, um das ich mich sehr bemühe und wofür ich mir immer gerne Zeit nehme. Ich weiß nicht, warum mir der liebe Gott diese Gabe gegeben hat, aber ich bemühe mich, dieses Talent zu vermehren, in allem was ich tue, nicht in eigener Sache, sondern aus Liebe zur Liturgie und dem Werk Gottes, denn von ihm habe ich diese Gabe. Manchmal werde ich auch gefragt, Konzerte aufzuführen. Ich weiß selber nicht, ob das richtig wäre, aber ich spüre, dass das nicht in erster Linie meine Aufgabe ist. Als Ordensmann habe ich mich dem liturgischen Gesang gewidmet und darf junge, als auch ältere Menschen in Kirchengesang unterrichten, Vorträge für Chorleiter halten. Dadurch möchte ich Menschen für die Liturgie begeistern und zur Begleitung der liturgischen Feier befähigen. Und ich habe das Gefühl, dass ich dafür vom lieben Gott berufen bin.
Für die würdige Feier der Liturgie sind natürlich die vielen Pilger, die das ganze Jahr über nach Medjugorje kommen, sehr dankbar!
Ja, wir bemühen uns in Medjugorje, die liturgischen Normen zu wahren. Bei meinem Irlandbesuch haben mir vor kurzem Leute erzählt, dass während der Liturgiefeier bei ihnen viel improvisiert wird, schon fast zur Unterhaltung der Gläubigen. Sie würden sich wünschen, dass die liturgischen Normen mehr eingehalten werden. Natürlich kann Improvisation ein paar Mal interessant sein und helfen, den Glauben zu vermitteln, aber diese Ressourcen erschöpfen sich sehr schnell. Die Liturgie hat in sich eine eigene Schönheit, aus der Liturgie entspringt das Leben der Kirche. Und das müssen wir verstehen und respektieren. Die Liturgie verlangt von uns, dass wir sie in Würde begehen und gibt uns Werkzeuge dafür, damit wir nicht etwas aus uns selbst machen müssen, das dann aufdringlich sein kann.
Von den Gläubigen in Irland habe ich immer wieder gehört, dass ihnen nach ihrer Rückkehr aus Medjugorje das Abendprogramm und die liturgische Musik abgehen. Der römische Ritus der Liturgie, den wir in Medjugorje feiern, ist auf der ganzen Welt derselbe und sollte auch überall so begangen werden. Diese Aussagen der Pilger haben mich noch mehr in meinem Anliegen bestärkt und ermutigt, die liturgische Musik zu fördern. Mein Ziel wäre, dass die Liturgie keine Unterhaltung und künstlerische Vorstellung wird, sondern wirklich eine Begegnung der Menschen mit dem lebendigen Gott. Ich bin auch überzeugt, dass, wo die Liturgie würdig gefeiert wird, die Menschen den Gott, den sie suchen, erfahren werden. Denn wir können mit unserer Kunst vielleicht eine kurze Zeit interessant sein. Wenn wir uns aber an die kirchlichen Vorschriften der Liturgie halten, dann ermöglichen wir eine wirkliche Gottesbegegnung durch die Musik. Denn die Menschen kommen nicht, weil sie uns suchen, sondern weil sie Gott suchen und das müssen wir immer vor Augen haben.
Bleiben wir in unserem geistlichen Leben und in den Dingen, die uns anvertraut sind, einfach und bescheiden. Vertrauen wir auf den Willen Gottes und erbitten wir oft seinen Segen. Dann brauchen wir keine Angst vor dem haben, was auf uns zukommt.
Wir wünschen Ihnen alles Gute für Ihren besonderen Dienst in der Pfarre Medjugorje und danken Ihnen herzlich für das Gespräch!