„In Medjugorje findet sich das, was zentral für die Erneuerung im Glauben ist“
Interview mit Bischof DDr. Klaus Küng

„In Medjugorje findet sich das, was zentral für die Erneuerung im Glauben ist“

 

Interview mit Bischof Küng

 

Der österreichische Bischof DDr. Klaus Küng verbrachte den Jahreswechsel 2022/23 mit einer Pilgergruppe aus Wien am Wallfahrtsort Medjugorje. Bischof Küng leitete von 1989 bis 2004 die Diözese Feldkirch und von 2004 bis 2018 die Diözese St. Pölten und ist  Mitglied der vatikanischen Kongregation für den Klerus und Konsultor des Päpstlichen Rates für die Familie.

Das folgende Interview mit Bischof Küng für die OASE führten Marija und Christian Stelzer.

Es war eine große Freude, dass Sie, Exzellenz, unter den zahlreichen deutschsprachigen Pilgern waren, die heuer den Jahreswechsel in Medjugorje erwartet haben. Sicher haben Sie schon vor vielen Jahren von den Ereignissen von Medjugorje gehört. Was hat Sie bewogen, gerade jetzt die Reise in den herzegowinischen Wallfahrtsort zu unternehmen?

Ich habe durch Jahrzehnte immer wieder Menschen kennen gelernt  bzw. sind immer wieder Pilger zu mir gekommen, die in Medjugorje zu einem neuen Anfang gefunden und begonnen haben, ihren Glauben bewusster zu leben. Das konnte ich im Laufe der Jahre immer wieder miterleben, und es hat mir Freude bereitet, wenn ich gesehen habe, dass da konkret im Leben etwas geschah. Ich selber bin nicht hingefahren, da es lange für Bischöfe nicht vorgesehen war, und weil ich in keinerlei Weise in die Frage der Klärung der Erscheinungen eingreifen wollte, auch jetzt nicht. Aber seit vielen Jahren lädt mich eine gute Bekannte, Frau Elisabeth Simböck, ein, mit einer Gruppe mitzufahren, und da habe ich jetzt zugesagt und bin mit einem Autobus mitgekommen. Und es war in der Tat ein besonderes Erlebnis. Ich glaube, wir alle haben unsere Herzen geöffnet. Mich selber hat auch beeindruckt, wie viele Personen von Medjugorje angezogen werden. Dort sind viele auf der Suche, viele auch, die regelmäßig kommen und eine Bestärkung auf ihrem Weg empfangen und auch die Gelegenheit nützen, das Bußsakrament zu empfangen und intensiv zu beten. Es war auch eine größere Zahl von Menschen mit besonderen Anliegen, manche mit tiefen Wunden und dem Verlangen, dass diese geheilt werden. Dann gibt es auch Personen mit besonderen Schwierigkeiten, die sich dort hingezogen fühlen. Ich war eingetaucht in die Bemühungen, als Priester und Bischof anderen beizustehen und sie zu begleiten, und das war eine schöne Erfahrung.

Immer wieder berichten Priester, wie sie die Beichtgnade in Medjugorje neu erfahren. Medjugorje wird auch als einer der größten Beichtstühle der Welt bezeichnet. Hatten Sie während Ihres Aufenthaltes in Medjugorje Zeit zum Beichthören und können Sie das bestätigen?

Ja, das kann ich bestätigen. Ich hatte, kann man sagen, durch intensive Beichtgespräche mit Personen aus aller Welt viel Arbeit. Die Menschen finden dort den Weg zu einem Neuanfang oder erfahren das Sakrament als Bestärkung. Ich habe mich gefreut, wie viele junge Leute zum Jahreswechsel aus verschiedenen Ländern ganz intensiv dabei waren.

Auch mich persönlich erstaunt immer wieder der Anblick so vieler junger Menschen in Medjugorje, wie zum Beispiel bei der Vigil in der Silvesternacht und in den Tagen um den Jahresbeginn. Wenn die Marienverehrung offiziell im Leben der Menschen in den deutschsprachigen Ländern immer weniger Platz zu finden scheint, beweist Medjugorje gerade das Gegenteil – dass nämlich junge Menschen durch Maria zum Glauben an Jesus finden. Wie haben Sie das erlebt?

Ich erlebe seit langem bei Menschen, die sich Gott nähern, dass sie von Maria zur Begegnung mit Christus geführt werden. In Medjugorje findet sich das, was zentral für die Begründung im Glauben ist, und das ist ein intensives Gebetsleben, wobei der Rosenkranz ganz im Vordergrund steht, dann die Eucharistische Anbetung, die Merkmal aller neuen geistlichen Aufbrüche ist. Ganz zentral ist die Eucharistiefeier als Höhe- und Ausgangspunkt und Quelle christlichen Lebens, dann die Beichte immer mit dem Bemühen, das Leben christlich zu gestalten und umzukehren. Und das führt zum Frieden, der im eigenen Herzen beginnt. Man kann das bei vielen neuen Aufbruchsbewegungen der letzten Jahrzehnte sehen. Ich bin davon überzeugt, dass die Erneuerung der Kirche auf diese Weise geschehen wird. Und Medjugorje hat dieses Programm.

Kardinal Schönborn hat Medjugorje zum Jahreswechsel 2009/2010 besucht. In einem Interview mit der OASE berichtete er später, wie überzeugend ein Moment am frühen Morgen für ihn war, als ihm Marija Pavlovic am Fuße des Erscheinungsberges erzählt hat, wie sie als Jugendliche hinaufgeschaut und oben die Gospa gesehen hat. Gab es auch für Sie einen solchen besonderen Moment in Medjugorje?

Für mich ist ganz im Vordergrund die Wahrnehmung der vielen Menschen gestanden, die beten, die das Bußsakrament empfangen, und die freudige Atmosphäre, die auch in meiner Gruppe entstanden ist, in der mehrere Personen mit sehr schwierigen Lebensgeschichten dabei waren und auch manche, die nach vielen Jahren zum ersten Mal das Bußsakrament neu empfangen haben, wie man mir erzählt hat. Diese Atmosphäre des Glaubens hat mich am meisten beeindruckt.

Ich durfte Marija Pavlovic kurz kennen lernen. Ich war auch dabei, als am Sonntagnachmittag die Erscheinung war. Ich möchte dazu nicht Stellung nehmen. Aber ich habe von ihr einen sehr guten Eindruck – eine glaubensfrohe und ausgeglichen wirkende Person. Es ist nicht meine Aufgabe, ein Urteil zu sprechen, aber ich denke, die ganze Atmosphäre und die Früchte, da man da sieht, kann man nicht einfach wegstecken, und ich glaube, dass das ein schönes Zeichen für unsere Zeit ist.

Kardinal Schönborn hat durch seinen Besuch in Medjugorje eine Tür geöffnet, die Papst Franziskus im Jahr 2019 durch die Zulassung offizieller kirchlicher Wallfahrten weit aufgemacht hat. Dann kam 2020 die Covid-Pandemie und erst seit dem Sommer 2022 haben die Pilgerfahrten wieder voll eingesetzt. Menschen aus verschiedenen Ländern Europa, aus Südkorea und den USA sind jetzt Mitten im Winter nach Medjugorje gekommen, darunter auch 2500 Pilger aus der Ukraine. Sehen sie in dieser geistlichen Bewegung den Beginn einer Glaubenserneuerung und ein Zeichen des Friedens für Europa und sogar für die Welt?

Zunächst möchte ich sagen, dass auch ich jetzt nach Medjugorje gefahren bin, weil Papst Franziskus gesagt hat, dass dieser Ort als Stätte des Gebetes und des geistlichen Lebens anzuerkennen ist. Davor wollte ich auch dem Urteil der Kirche nicht vorgreifen. Für mich hat der Kontakt mit vielen Menschen in den vergangenen Tagen bestätigt, dass es ein Ort des Gebetes ist. Viele Menschen finden in dieser Zeit des Umbruchs in Medjugorje durch das Gebet, die Sakramente der Beichte und der Eucharistie und den Ruf zur christlichen Lebensgestaltung einen Halt in den oft schwierigen Gegebenheiten der Gesellschaft und der Kirche. Und da sind auch junge Menschen ganz besonders dabei, die sich angezogen fühlen, und das ist ein Hoffnungszeichen. Man merkt die Sehnsucht, die bei vielen vorhanden ist, aber man merkt auch die Wunden, die die Menschen im Herzen tragen und die nach Heilung verlangen. Und das ist auch als Hoffnungszeichen zu werten.

Es ist ein Geheimnis unserer Zeit, dass sich Menschen zusammenfinden, die Gott suchen, die Christus entdecken und für die Maria eine ganz große Hilfe ist, zu ihm hinzufinden und bei ihm zu bleiben. Und das schenkt Heilung, das schenkt einen Halt, das wird zum Motor des christlichen Lebens. Und da kann man nur froh und dankbar sein für jeden Menschen, der das wahrnimmt.

In Medjugorje sind auch so viele Gemeinschaften und Initiativen entstanden, die Menschen in Not eine Hilfe bringen. Auch das ist wie ein Merkmal der Erlösung und des Geheimnisses Gottes, der seinen Sohn in die Welt gesandt hat, der von Maria empfangen und zur Welt gebracht wurde – das wird dann erfahrbar. Das scheint mir das Zentrale und Schöne und Hoffnungsvolle zu sein.