Medjugorje lädt uns ein, das zu tun, was die Mission der Kirche in der Welt ist

Interview mit Provinzial P. Jozo Grbeš OFM

Lieber P. Jozo, vielen Menschen, die nach Medjugorje kommen, geht es heute ähnlich wie den Hirten von Bethlehem: Sie berichten, dass sie an diesem Ort plötzlich und unerwartet Jesus in ihrem Leben gefunden hätten, den Retter und Erlöser, den sie immer schon gesucht hätten. Nach langen Jahren in den USA sind Sie in die Herzegowina zurückgekehrt und vergangenes Jahr im April zum Provinzial gewählt worden. Wie ist ihre persönliche Erfahrung mit Medjugorje?

Es ist ein mystischer Ort. Ganz anders als alle anderen, ein Treffpunkt für so viele wunderbare Menschen. Allein die Beobachtung der Menschen, die barfuß auf die Hügel steigen, ist eine erstaunliche, kraftvolle Szene. Ich habe so viele dieser Menschen persönlich kennen gelernt. Die Lebensgeschichten, die aufrichtigen Bekehrungen und vor allem die vielen jungen Menschen haben mich wirklich berührt.

In Ihrer Predigt zum 42. Jahrestag der Erscheinungen haben Sie am 25. Juni 2023 von Medjugorje als einem „heiligen Ort“ gesprochen, der zu einer „Hoffnung des toten Europas und der verwirrten Kirche“ geworden sei. Was haben Sie damit konkret gemeint?

Es braucht nicht viel, um zu verstehen, dass das Europa, das wir kannten, verschwunden ist. Es hat sein christliches Fundament verraten und ist dadurch zu einer leeren Philosophie der Zerstörung geworden, die von ungeborenen Menschen bis zur Verkündigung von Indifferenz und Wertefreiheit reicht. In diesem Zusammenhang versucht die Kirche, die Gesellschaft zu beschwichtigen, anstatt ihr das Evangelium zu verkünden. Wir sehen, was in der Kirche in Deutschland vor sich geht. Das ist der Grund, warum so viele Menschen verwirrt sind.

Vor kurzem sagten Sie bei einem Arbeitstreffen der deutschsprachigen Pilgerbegleiter in Marienfried, dass Medjugorje heute die gleiche Mission habe wie die Apostel vor 2.000 Jahren, die Jesus begegnet und dann in die ganze Welt hinausgegangen sind, um die frohe Botschaft zu verkünden. So erlebten Sie auch die Medjugorje-Pilger überall auf der ganzen Welt. Könnten Sie uns das ein wenig erklären?

Wir leben in einer egozentrischen Kultur. Sie steht in völligem Gegensatz zu dem, was das Christentum ausmacht. In einer gemeinschaftsorientierten Kultur sind die Menschen mehr aufeinander angewiesen und pflegen die Harmonie in der Gemeinschaft. In einer gemeinschaftsorientierten Kultur gibt es feste Beziehungen. 

Jesus ist unser moralischer Kodex. Sein Gebot der Liebe ist anspruchsvoll. Es ist das Gebot des Gebens, nicht des Nehmens. Das eigentliche Wesen der Liebe besteht im Geben. Sie ist das Gegenteil von Egoismus, der jede Seele und jede Familie zerstört. 

Da wir uns von diesem Gebot und dem christlichen Lebensstil leiten lassen, behalten wir es nicht für uns. Wir sind aufgerufen, hinauszugehen, um eine weitere Seele, eine weitere Familie oder eine weitere Nation zu retten. Wir sind berufen, Apostel zu sein, Zeugen zu sein. So war es von den ersten Tagen Jesu an und so muss es auch heute sein.

Sie haben viele Jahre in den USA gelebt und waren verantwortlich für Kroatische Franziskaner-Kustodie. Welche Bedeutung hat diese Erfahrung mit der Weltkirche für ihren derzeitigen Dienst als herzegowinsciher Franziskanerprovinzial, der auch für Medjugorje zuständig ist?

Jede Erfahrung macht unser Leben reich. Ich glaube, dass das Leben viel größer ist, als wir es uns vorstellen können. Für mich ist es wirklich ein Segen, dass ich in den Vereinigten Staaten so viele wunderbare Menschen getroffen habe, die mir geholfen haben, das Leben aus einer anderen Perspektive zu sehen. Auf meinen Reisen habe ich so viele verschiedene Kulturen, Nationalitäten und Hintergründe kennen gelernt. Es ist schön zu sehen, wie der katholische Glaube die Menschen miteinander verbindet. Wie die Gospa die Menschen verbindet. Deshalb ist es unsere Aufgabe, die Menschen miteinander, mit Gott und mit Medjugorje zu verbinden.

Beim Medjugorje-Friedensgebet mit Marija Pavlovic-Lunetti am 27. September im Wiener Stephansdom sagte Bischof Klaus Küng in Vertretung von Kardinal Schönborn, der wegen der Bischofssynode in Rom nicht teilnehmen konnte, er hoffe,  dass als Ergebnis der Synode die fünf geistlichen Steine von Medjugorje herauskämen: Gebet, Eucharistie, Bibel, Fasten und Versöhnung. Und er sagte, es genüge nicht, sich selbst und die eigene Haut zu retten. Man müsse auch andere mitnehmen, andere ansprechen. Wäre das ein gangbarer Weg für die Kirche in Europa und in der Welt?

Medjugorje ist ein Segen für die Kirche. Medjugorje lädt uns ein, das zu tun, was die Mission der Kirche in der Welt ist: das Erwachen des Glaubens und die Bekehrung, das Sakrament der Beichte, die Eucharistie, die Anbetung Jesu, der Rosenkranz und das Fasten. Medjugorje ist keine Theorie über den Glauben, sondern ein Leben des Glaubens. Es ist ein Glaube, der geboren wird, erwacht und aufblüht. Deshalb ist es gut, Menschen nach Medjugorje zu bringen, Familien mitzubringen, um die Schönheit unseres katholischen Glaubens neu zu entdecken. In Medjugorje ist das möglich. Es ist möglich, hier durch den Glauben gestärkt zu werden, um in unsere eigenen Dörfer und Städte zurückzugehen und die Menschen zu Christus zurückzubringen.

Lieber Pater Jozo, herzlichen Dank für das Gespräch. 

Das Interview mit Provinzial Pater Jozo Grbes führte Christian Stelzer