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Botschaft der Freude aus dem Gefängnis
Franz Xavier Nguyen von Thuan

Botschaft der Freude aus dem Gefängnis

 

Das Gebet ist das Fundament des geistlichen Lebens. Das Gebet verbindet, ja vereinigt dich mit Gott. Die Glühbirne kann nur in Verbindung mit der Stromquelle leuchten.

Franz Xavier Nguyen von Thuan

 

Franz Xavier Nguyen von Thuan wurde 1928 in Hue, Vietnam, geboren und 1953 zum Priester geweiht. Mit 38 Jahren berief ihn Papst Paul VI. zum Bischof von Nhatrang und 1975 zum Erzbischof-Koadjutor von Saigon. Wenig später wurde er verhaftet. Nach seiner Freilassung 1988 durfte er in Vietnam sein Amt nicht ausüben. So holte ihn Papst Johannes Paul II. nach Rom. 1994 wurde er Vizepräsident und 1998 Präsident des Päpstlichen Rates für Gerechtigkeit und Frieden und im Februar 2001 zum Kardinal ernannt. Am 16. September 2002 erlag er seiner Krebserkrankung und wurde in Rom beigesetzt. 2007 wurde sein Seligsprechungsprozess eröffnet.

Die Verhaftung

Bischof Franz Xavier Nguyen von Thuan war acht Jahre lang Bischof von Nhatrang im Zentrum von Vietnam, bevor er am 23. April 1975 von Papst Paul VI. zum Erzbischof-Koadjutor von Saigon ernannt wurde. Als die Kommunisten nach Saigon kamen, waren sie davon überzeugt, dass seine Ernennung das Ergebnis einer Verschwörung sei und der Vatikan sich mit den Imperialisten verbündet habe, um gegen das kommunistische Regime zu kämpfen. Drei Monate später wurde er in den Präsidentenpalast gerufen und dort verhaftet. Es war der 15. August 1975.

Ich lebe in diesem Augenblick und werde ihn mit Liebe erfüllen

„In jener Nacht auf einer vierhundertfünfzig Kilomerter langen Straße, die zu meiner Zwangsresidenz führte, gingen mir viele wirre Gedanken durch den Kopf. Nach dreimonatiger Anspannung erfüllten mich nur Traurigkeit, Verlassenheit und Müdigkeit. Aber in meinem Geist drängte sich ganz deutlich ein Wort in den Vordergrund, das alle Dunkelheit vertrieb, ein Wort von Bischof John Walsh von China. Als er nach zwölfjähriger Gefangenschaft in die Freiheit entlassen wurde, sagte er: „Die Hälfte meines Lebens habe ich nun gewartet.“ Das ist nur gewartet.“ Das ist nur zu wahr. Alle Gefangenen, ich eingeschlossen, warten jeden Augenblick auf ihre Befreiung. Dann aber habe ich beschlossen: „Ich werde nicht warten. Ich lebe in diesem Augenblick und werde ihn mit Liebe erfüllen.“
Bischof Franz Xavier wird später sagen, dass das keine spontane Eingebung war, sondern eine innere Überzeugung, zu der er mit der Zeit gekommen war – wenn er nämlich die ganze Zeit nur warte, dann trete das, worauf er warte, vielleicht nie ein.

Entscheide dich für Gott und nicht für seine Werke!

In einem Schiffsrumpf wurde Nguyen von Thuan gemeinsam mit 1500 anderen Gefangenen in den Norden Vietnams gebracht. Er berichtet: „Ich sah die Verzweiflung, den Hass und die Rachsucht auf den Gesichtern der Gefangenen und teilte mit ihnen ihre Leiden. Aber sofort erinnerte mich die Stimme daran: „Entscheide dich für Gott und nicht für seine Werke!“, und ich sagt mir: „Ja, Herr, hier ist meine Kathedrale, hier ist das Volk Gottes, das Du mir anvertraut hast, damit ich für es sorge. Ich muss diesen unglücklichen und verzweifelten Brüdern und Schwestern die Gegenwart Gottes zusichern. Es ist Dein Wille und daher auch der meinige.“

Im Erziehungslager auf dem Berg von Vinh-Phu, gemeinsam mit 250 Gefangenen, von denen die meisten Nichtkatholiken waren: „Ja, Herr, Du schickt mich hier her, um in Hunger, Kälte, beschwerlicher Arbeit, Erniedrigung und Ungerechtigkeit Deine Liebe unter meinen Brüdern und Schwestern sein. Ich entscheide mich für Dich und Deinen Willen. Ich bin hier Dein Missionar.“

Alle wussten, dass Jesus mitten unter ihnen war

Bischof Franz Xavier hatte bei seiner Verhaftung keine Zeit, irgendetwas mitzunehmen. Er durfte aber tags darauf aufschreiben, welche Sachen er am notwendigsten brauchte: Kleider , Zahnpasta, usw. Dem Empfänger seines Briefes schrieb er: „Schick mir bitte ein bisschen Wein als Medikament gegen Bauchschmerzen.“ Die Gläubigen wussten sofort, was damit gemeint war, und schickten eine kleine Flasche Messwein mit dem Etikett „Medikament gegen Bauchschmerzen“ und eine Fackel „gegen Feuchtigkeit“, in der sie Hostien versteckt hatten. Ein Polizist fragte ihn: „Haben Sie Bauchschmerzen?“ „Ja.“ „Hier habe ich ein Medikament für Sie.“

„Meine Freude war unbeschreiblich. Jeden Tag feierte ich die heilige Messe in der hohlen Hand mit drei Tropfen Wein und einem Tropfen Wasser.“, schreibt Kardinal Nguyen von Thuan. „Wann und unter welchen Umständen, hing jedenfalls von der jeweiligen Situation ab. Auf dem Schiff, das uns nach Norden brachte, feierte ich nachts. Vorher benachrichtigte ich die anderen katholischen Gefangenen, damit sie an der heiligen Messe teilnehmen konnten. Im Umerziehungslager waren wir in Gruppen zu fünfzig eingeteilt. Wir schliefen auf einem gemeinsamen Lager, auf dem jeder ein Recht auf 50 cm hatte. In meiner Gruppe waren fünf Katholiken. Wir suchten uns unsere Plätze so aus, dass wir nebeneinander lagen. Um 21 Uhr 30 wurde das Licht ausgeschaltet, und alle mussten schlafen. Ich richtete mich dann nach einer Weile im Bett auf und feierte die heilige Messe, Die Kommunion reichte ich ihnen unter dem Moskitonetz hindurch. Aus dem Papier von Zigarettenschachteln stellten wir uns kleine Säckchen her, um darin das Allerheiligste aufzubewahren. So trug ich Jesus in der Eucharistie immer in der Hemdtasche mit mir.
Einmal pro Woche fand eine Indoktrination statt, der sich das ganze Lager unterziehen musste. Meine katholischen Freunde und ich nutzten die Pause, um den anderen vier Gruppen von Gefangenen ein Päckchen zum geben: alle wussten, dass Jesus mitten unter ihnen war, dass er alle körperlichen und geistigen Leiden heiligen würde. Nachts lösten sich die Gefangenen bei der Anbetung ab. Jesus half uns in der Eucharistie durch seine stille Gegenwart auf ganz außerordentliche Weise. Viele Christen erwachten in jenen Tagen zu neuem Glaubenseifer und Buddhisten und andere Nichtchristen bekehrten sich. Die Kraft der Liebe Jesu war unwiderstehlich, so dass die Dunkelheit des Kerkers zum Licht wurde; der Same keimte während des Sturmes unter der Erde.“

Aus „Hoffnungswege“, Franz Xavier Nguyen von Thuan, Patris Verlag, Vallendar, 2014