Die Seher waren eher bereit zu sterben, als zu verleugnen

 

Kath.net in Interview mit Dr. Christian Stelzer

 

Die Seher waren eher bereit zu sterben, als zu verleugnen

 

Medjugorje – eine Botschaft des Friedens in unserer Zeit

 

Papst Franziskus hat sich am 13. Mai 2017 auf seinem Rückflug von Fatima nach Rom überraschend deutlich zu Medjugorje geäußert.

Im Interview mit kath.net unternimmt Dr. Christian Stelzer von der Oase des Friedens in Wien den Versuch, auf die dadurch neu aufgeworfenen Fragen Antworten zu finden.

 

Papst Franziskus hat sich ja kritisch zu Medjugorje geäußert. Was sagen Sie dazu?

 

Papst Franziskus hat am 13. Mai anlässlich der 100-Jahr-Feierlichkeiten Fatima besucht. Ich selbst habe live über Internet am Festgottesdienst teilgenommen. Der Heilige Vater betonte, er sei als Pilger des Friedens nach Fatima gekommen. Noch bewegt von der Feier, hat er am darauffolgenden Tag auf dem Petersplatz in Rom nach dem Regina Caeli das Schicksal der Völker, die unter Kriegen leiden, der Königin des Friedens anempfohlen.

Über seine Äußerungen zu Medjugorje während seines Rückflugs nach Rom habe ich erst am Sonntag erfahren. Ivan Dragicevic aus Medjugorje hat mich angerufen und wollte meine Meinung hören. Ich sagte ihm, Papst Franziskus sei für mich ein großes Geschenk für die Kirche, ich werde seine Äußerungen zu Medjugorje nachlesen.

Die Kritik, die der Papst geäußert hat, ist an sich nicht neu. Ähnlich hat sich der Ortsbischof wiederholt geäußert.

Einer der Kritikpunkte ist, dass sich die Erscheinungen zu festgelegten Zeiten wiederholen. Das kennen wir allerdings bereits von Fatima, wo die Gottesmutter wie angekündigt sechs Mal am jeweils selben Tag des Folgemonats erschienen ist und Botschaften gegeben hat.

 

Auch eine längere Dauer von Erscheinungen ist in der Kirchengeschichte nichts Neues: Im einzigen vom Vatikan anerkannten Heiligtum Afrikas, in Kibeho, dauerten die Erscheinungen acht Jahre lang. „Es spricht mehr für die Echtheit als dagegen“, war Ortsbischof Augustin Misago überzeugt, der die Marienerscheinungen im Jahr 2001 anerkannte. Die kleine Diözese in Ruanda, in der sich Kibeho befindet, überrascht seither mit ca. 60 Priesterberufungen pro Jahr. Dass die Dauer von Erscheinungen kein Zeichen für oder gegen die Echtheit ist, beweisen auch die von der Katholischen Kirche 2008 anerkannten Erscheinungen von Notre-Dame du Laus in Frankreich, die 54 Jahre andauerten.

Gleichzeitig gibt es jetzt Medienberichte, in denen behauptet wird, dass nur die ersten sieben Erscheinungen echt sein sollen. Ist das nicht irgendwie absurd? Was sollte hier genau der Unterschied zwischen der 7. und 8. Erscheinung sein?

Es ist natürlich erfreulich, dass die Kommission die ersten Erscheinungen schon jetzt für echt erklären will, wo doch die Seher bezeugen, dass die Erscheinungen noch andauern. Andererseits überrascht eine solche Eile. Man sollte, denke ich, die Erscheinungen weiterhin vorurteilsfrei und mit wissenschaftlicher Redlichkeit begleiten, wie es in der Vergangenheit immer wieder geschehen ist – unter anderem durch die medizinischen Untersuchungen von Prof. Henri Joyeux in den Jahren 1984 und 2005, die nach aktuellem medizinischem Wissensstand durchgeführt wurden. Fernurteile wie z.B. jene des Ortsbischofs, die sich auf Aussagen von Personen stützen, die ihr Wissen wiederum von anderen berichtet bekommen haben, ohne selbst vor Ort gewesen zu sein und mit den Zeugen gesprochen zu haben, sind aus meiner Sicht viel zu ungenau und nicht verwertbar. Man sollte auf jeden Fall die Chance nützen und die unmittelbaren Zeugen der Ereignisse befragen. Die Seher sind durch all die Jahre bis heute immer bereit gewesen, Zeugnis zu geben. Zum Jahreswechsel 2009/10 durfte ich selbst miterleben, mit welcher Freude und Demut sie Kardinal Christoph Schönborn bei seinem Medjugorje-Besuch von ihren Erfahrungen berichtet haben. Die Seher wurden im Juni 1981 von den Erscheinungen komplett überrascht, wie sie selbst berichten, und in eine neue Daseins-Wirklichkeit hineingestellt. Sie alle legten Zeugnis vor Verantwortlichen des kommunistischen Regimes ab und waren eher bereit zu sterben, als das zu verleugnen, was sie schauen durften.

Diese Bereitschaft, die überwältigende Liebe Gottes zu bezeugen, selbst um den Preis des eigenen Lebens, macht sie für alle, die sie kennen gelernt haben, zu beeindruckenden Zeugen christlichen Lebens.

 

Gibt es zu den Aussagen von Papst Franziskus hier schon Reaktionen aus Medjugorje?

Den Menschen in Medjugorje wurde Anfang April durch den Besuch von Erzbischof Henryk Hoser, den Papst Franziskus zum Sonderbeauftragten für Medjugorje bestellt hatte, das Gefühl vermittelt, nach langer Durststrecke von kirchlicher Stelle in Schutz genommen zu werden. Während meines Osterurlaubs in Medjugorje spürte ich in den Gesprächen mit Pfarrangehörigen immer wieder diese besondere Freude.

Die Katholiken auf dem Balkan haben eine Geschichte der Verfolgung hinter sich. Als die Erscheinungen in Medjugorje 1981 begannen, ließ der kommunistische Staat nichts unversucht, um die Ereignisse, von denen er instinktiv eine existentielle Gefahr witterte, im Keim zu ersticken. Der Ortspfarrer, P. Jozo Zovko, wurde verhaftet und in einem Schauprozess zu drei Jahren Gefängnis, wo er auch gefoltert wurde, verurteilt. Amnesty International schrieb über ihn im Jahrbuch des Jahres 1982 und bezeichnete ihn als „gewaltlosen politischen Gefangenen“. Auch in den Folgejahren standen Verleumdungen und Verbote für ihn an der Tagesordnung.

Seit Ende des Balkankrieges, der auf den Tag genau 10 Jahre nach Beginn der Erscheinungen entbrannte, leben die Katholiken von Bosnien und Herzegowina wie Fremde in ihrem eigenen Land, als kleine Minderheit, der einfache Rechte verwehrt werden. Bezeichnend ist es, dass bis heute der Bau einer größeren Kirche in Medjugorje völlig undenkbar ist, wo doch solche Bauvorhaben an stark besuchten Wallfahrtsorten in anderen Ländern von den Regierungen aktiv unterstützt werden.

In Medjugorje haben sich Einheimische und Pilger seit langem daran gewöhnt, die Liturgie in den Wintermonaten bei Wind und Regen im Freien mitzufeiern, weil die bestehende Kirche für die vielen Menschen oft zu klein ist.

Durch all diese Schikanen haben die Menschen Geduld gelernt. Und der starke Glaube und die christliche Gemeinschaft helfen ihnen, die Hoffnung nicht zu verlieren.

Wie geht es jetzt mit Medjugorje weiter?

 

So wie bisher – mit Gebet, Fasten und Opfer für den Frieden. Es gibt schließlich keinen anderen Weg.

Heute ist Medjugorje für viele Menschen weltweit der einzige Hinweis, dass es in Bosnien und Herzegowina eine Katholische Kirche überhaupt gibt. Wenn Medjugorje einen anderen Weg als den des Gebetes einschlagen würde, wäre der katholische Glaube in diesem kleinen Balkanland kaum noch wahrnehmbar, es würden die Gnaden versiegen, die jetzt reichlich fließen und durch die Pilger in viele Länder getragen werden. Außerdem würde Europa seinen größten Beichtstuhl verlieren.

Dass die pastorale Arbeit der Franziskaner, mag sie noch so hervorragend sein, nicht diese Wunder bewirken kann, erkennt man unschwer, wenn man sich vor Ort mit dem Phänomen unvoreingenommen auseinandersetzt.

Für mich persönlich ist die Botschaft von Medjugorje keine sinnlose Wiederholung von Glaubensinhalten, die ohnehin jeder wissen sollte. Denn wenn der Himmel zu Gebet und sakramentalem Leben einlädt, schenkt er auch die Gnade, es zu tun, damit zu beginnen und darin nicht nachzulassen. In der zarten Stimme, die uns immer wieder daran erinnert, wie wir Gott suchen und Jesus nachfolgen sollen, erkenne ich jene einer Mutter, die nicht zulassen kann, dass ihre Kinder verloren gehen, und die mit ihrem ganzen heiligen Wesen weiß, dass es nur einen Weg für uns gibt – es ist der des Friedens, den ihr Sohn gegangen ist und der er selber ist.