Jahresbeginn in Medjugorje

Beiträge aus Oase des Friedens

Jahresbeginn in Medjugorje

„Wir befinden uns im Tempel der Königin des Friedens, der in Bosnien und Herzegowina errichtet wurde.“

Zahlreiche Pilger aus aller Welt, insbesondere eine große Anzahl junger Menschen, erwarteten das Neue Jahr 2020 in der Pfarrkirche zum Hl. Jakobus in Medjugorje. Diese einzigartige Gebetsvigil zieht von Jahr zu Jahr mehr Pilger an den Wallfahrtsort. Auch wenn die Kirche für die vielen Gläubigen zu klein geworden ist, hindert es sie nicht daran, den Beginn des Neuen Jahres abseits von Lärm und Feuerwerken im Heiligtum der Königin des Friedens im Gebet zu erwarten.
Die Gebetsvigil leitete Erzbischof Luigi Pezzuto, Apostolischer Nuntius für Bosnien und Herzegowina, gemeinsam mit 115 konzelebrierenden Priestern, unter ihnen auch Erzbischof Henryk Hoser, Apostolischer Visitator für Medjugorje, P. Miljenko Šteko, Provinzial der franziskanischen herzegowinischen Provinz, und P. Marinko Šakota, der Pfarrer von Medjugorje.Wir geben hier die Predigt von Erzbischof Pezzuto wieder, die unter dem Motto „Frieden, heute am Weltfriedenstag“ stand.

Ehrwürdiger Herr Apostolischer Visitator,
sehr geehrter Herr Provinzial,
ehrwürdige Priester und geistliche Schwestern der Pfarre,
alle Schwestern und Brüder im Glauben!

Der Rhythmus der vergangenen Jahre, Tage und Stunden hat uns auf eine Pilgerreise geführt, um uns heute an dieses marianische Ziel zu bringen, wo wir im Tempel der Königin des Friedens hier in der Herzegowina unsere Sehnsucht nach Frieden anlässlich des Weltfriedenstages, den die Kirche jedes Jahr am 1. Januar feiert, unter den Worten der weisen päpstlichen Lehre neu aufleben lassen.
Ja! Liebe Schwestern und Brüder, wir müssen zugeben, dass der Frieden – wie uns die Botschaft des Papstes in diesem Jahr erinnert – ein „kostbares Gut“ ist, das aber zugleich immer noch „ein Objekt“ der Hoffnung für die ganze Menschheit bleibt.
Wir sind immer noch auf dem Weg zum Frieden. Wir haben das Ziel noch nicht vollständig erreicht, weil es immer noch Hindernisse gibt, die manchmal unüberwindbar erscheinen, insbesondere angesichts der „Zeichen“ von Kriegen in der Vergangenheit, aber auch der gegenwärtigen Konflikte, die in unseren Gedanken, in unseren Körpern sowie in den Territorien, auf denen sie geführt wurden, Spuren hinterlassen haben.

1. In seiner Botschaft vom 1. Januar 2020 ruft der Heilige Vater vor allem uns Katholiken, aber auch die internationale Gemeinschaft auf, angesichts der beiden Ursachen, die alle Kriege auslösen, Alarm zu schlagen: „Angst vor dem anderen“ und „Misstrauen dem anderen gegenüber“.
Paradoxerweise werden Angst und Misstrauen heute jedoch nicht nur international, sondern auch national als Grundlage und Garant für Stabilität, Sicherheit und Gleichgewicht angesehen.
Stimmt es nicht, dass auch zwischenmenschliche Beziehungen – von Individuum zu Individuum, von Bürger zu Bürger – nach dem Prinzip „Angst vor dem anderen“ und „Misstrauen gegenüber dem anderen“ geregelt werden?
In Wahrheit ist diese menschliche Logik sehr verwirrend, wohingegen, wenn wir richtig urteilen, Angst und Misstrauen Instabilität, Zerbrechlichkeit der Beziehungen und das Risiko von Gewalt mit sich bringen.
Aus diesem Grund wird es gerade für uns Christen oder für uns „Jünger des Wortes“ heute noch dringender zu erkennen, dass die Logik der Angst und des Misstrauens in einem Teufelskreis endet, der sicher nicht zum Frieden führt.
Aber ich möchte euch fragen: Was steckt hinter der Angst? Was ist der Ursprung, das tiefe „Warum“ der Angst vor dem anderen?
Wir kennen die unmittelbaren Gründe für unsere Ängste: Krankheit, Armut, Aggression, Verfolgung, Tod. Aber es muss einen tieferen Grund geben, der den Einzelnen und die Gemeinschaft zur Angst zwingt.
In Markus 4, 35-41 können wir die Reaktion Jesu auf die Angst der Apostel entdecken, die während des Sturms mit ihm in den brechenden Wellen waren. Sie waren erschrocken von dem stürmischen Meer, und Jesus stellte ihnen die Frage: „Wovor habt ihr Angst? Wie könnt ihr nicht glauben?“
Hier nähert sich Jesus zwei entgegengesetzten Realitäten: Angst und Glaube. Und es ist, als wollte er sagen: „Schau, Angst ist da, wo es keinen Glauben gibt.“ Das Fehlen des Glaubens ist also die tiefe Wurzel der Angst. Aber die Abwesenheit des Glaubens bedeutet auch die Abwesenheit Gottes. Daher ist es nicht verwunderlich, dass in einer Welt, die säkularisiert ist, das internationale Gleichgewicht in Bezug auf Frieden, Sicherheit und Stabilität auf der Angst vor dem anderen beruht!
Dies ist eine Situation, wie sie sich bereits im Garten Eden ereignet hat: Nachdem Adam und Eva die verbotenen Früchte gegessen hatten, hörten sie die Schritte des Herrn… und sie versteckten sich unter den Bäumen im Garten. Aber der Herr rief den Mann und sprach zu ihm: Wo bist du? Er antwortete: Ich habe deine Schritte im Garten gehört; ich hatte Angst, weil ich nackt war, und versteckte mich.“ (Gen 3, 8-10).
Hier ist ein Moment, in dem die Angst in die Welt eindrang und sie nie wieder verließ. Denkt doch daran, dass Angst nicht von der Tochter der Nacktheit kommt, wie Adam behauptet, sondern von einer anderen Mutter. Der Mensch ist verborgen, weil Gott derjenige ist, der ihn erschreckt“ (E. Randi: Le offer domanded Vangelo, S. 31).
So dringt mit der Furcht vor Gott auch das Misstrauen gegen ihn in das Herz des Menschen ein. Es war, als hätte die Schlange zu ihm gesagt: „Gott hat dir tausend Bäume gegeben; es ist wahr, aber er hat dir das Beste verweigert; er hat Angst vor dir, er ist eifersüchtig, er hat dir das Wichtigste verboten. Glaub es nicht.“ (E. Randi: Le nude domande del Vangelo, S. 31).
Dieser ganze Prozess findet nur im menschlichen Geist statt, sodass sogar das Bild Gottes verzerrt wird: dass Gott den Menschen fürchte, dass Gott eifersüchtig sei, dass er dem Menschen nicht vertrauen würde. In der Tat hat Gott nichts damit zu tun: Es ist nur unser einseitiges Denken, das sich letztendlich entscheidet, sich selbst zu unterminieren, intolerant gegenüber der Verschiedenartigkeit des anderen zu sein, das ihn als Bedrohung seiner Dominanz empfindet, bis zu dem Punkt, an dem er diese Bedrohung ausschließt und beseitigt.
Andererseits verschwindet die Angst dort, wo es Glauben gibt. Dies ist die große Revolution, die vom Christentum und seinem Gründer ausgelöst wurde. Jesus ist wirklich gekommen, um ein neues und entscheidendes Licht auf das Thema Angst zu werfen und zu zeigen, wie Gott in Bezug auf den Menschen in Wahrheit ist. Diese Beziehung ist kein gegenseitiges Misstrauen, denn Gott ist Vater, und wir sind Kinder in seinem einzigen gezeugten Sohn, Jesus Christus. Das bedeutet zugleich, dass alle Kinder Gottes unter sich Brüder sind.
Für uns getaufte Christen ist dies selbstverständlich. Die Vaterschaft Gottes und damit die Brüderlichkeit unter allen Gliedern der menschlichen Familie erstreckt sich aber auf die gesamte Menschheit, die einen gemeinsamen Ursprung in Gott hat.
Als Kirche sind wir aufgerufen – wie die Botschaft des Heiligen Vaters sagt -, „überzeugte Zeugen“ und „Meister des Friedens, die ausnahmslos und ohne Manipulation für den Dialog offen sind“, zu sein.

2. In Bezug auf den Weg des Friedens, der einen langen Zeitraum erfordert, wiederholt der Papst das praktische Konzept, das bereits bekannt und in den Botschaften seiner Vorgänger enthalten ist: Es kann keinen Frieden geben, ohne dass wir nach Wahrheit und Gerechtigkeit streben.
Tatsächlich ist eine mutige und transparente Suche nach der Wahrheit der erste notwendige Schritt, um Frieden zu erlangen. Diese Suche nach der Wahrheit muss frei von Parteilichkeit und jeglicher Ideologie sein, um der objektiven Wahrheit so nahe wie möglich zu kommen. Die Wahrheit unterliegt keinen subjektiven Interpretationen, um Interessen bestimmter Parteien zu verteidigen, und sie bestraft die Verzerrung der historischen Realität selbst.
Andererseits ist das Verhältnis zwischen Frieden und Gerechtigkeit komplexer. Hier geht es um den menschlichen Frieden als Frucht der menschlichen Gerechtigkeit. Auf den ersten Blick scheint es der menschlichen Gerechtigkeit möglich zu sein, die Rechte aller an einem bestimmten Konflikt beteiligten Parteien zu erfüllen. Bei genauer Betrachtung ist dies jedoch nicht der Fall, da menschliche Gerechtigkeit, auch wenn sie korrekt ist, immer zumindest einen Teil mit dem Anspruch auf seine Rechte unzufrieden lässt, Probleme im Friedensprozess hervorruft und möglicherweise eine endgültige Konfliktlösung verhindert. Deshalb ist es notwendig, dass die Gerechtigkeit durch einen anderen Wert außer Kraft gesetzt wird: die Versöhnung.
Versöhnung reicht jedoch nicht aus, um wahren Frieden zu erreichen, denn Versöhnung ist lediglich eine Vereinbarung der Parteien, in Frieden zu leben, auch wenn die erlittenen Ungerechtigkeiten bitter sein können. Daher muss dies durch Vergebung und Barmherzigkeit überwunden werden – die einzigen und typischen Werte des Christentums, die eine vollständige Befreiung von aller Bitterkeit gegenüber dem empfangenen Bösen implizieren.

Liebe Schwestern und Brüder,
wir befinden uns im Tempel der Königin des Friedens, der in Bosnien und Herzegowina errichtet wurde. Wenn wahrer Frieden das Ergebnis von Vergebung und Barmherzigkeit ist, wie kann Maria dann die Königin des Friedens sein, ohne gleichzeitig die Königin der Barmherzigkeit Gottes zu sein? Maria ist die Königin des Friedens, denn sie ist die Königin der Barmherzigkeit Gottes, deren Antlitz Jesus ist.
Wie bei der Hochzeit zu Kana spricht Maria auch heute noch die Barmherzigkeit Gottes an: „Sie haben keinen Wein.“
Daher wäre es angemessen und gerecht, Maria an dieser Stelle den Titel „Königin des Friedens und der Barmherzigkeit Gottes“ zu geben. Wir nennen sie seit Jahrhunderten Mutter der Barmherzigkeit. Aber diese treue Muttererfahrung machte sie zur Königin, von der die Barmherzigkeit Gottes gern auch nur den geringsten Wunsch zum Wohle ihrer Kinder hört.
Abschließend rufe ich sie, mit euch allen im Gebet vereint, mit den Worten an: Maria, Königin des Friedens und der Barmherzigkeit Gottes, bitte für uns. Amen!