Exklusivinterview mit Erzbischof Henryk Hoser für die OASE

Unseren Anker in Gott finden

Exklusivinterview mit Erzbischof Henryk Hoser
für die OASE des Friedens

Exzellenz, Ende Mai sind es bereits zwei Jahre, dass Sie zum Apostolischen Visitator für Medjugorje berufen worden sind. Durch die Pandemie gibt es seit langem zum ersten Mal in dieser Zeit keine Pilger am Wallfahrtsort. Sie selbst befinden sich in Ihrem Heimatland Polen. Wie erleben Sie persönlich diese Situation, als Bischof und als Arzt?

Ich bin täglich mit Medjugorje telefonisch und mittels anderer Medien verbunden. Zurzeit sind in Medjugorje keine Pilger, wie Sie gesagt haben, und die Kirche muss auch für die Pfarrmitglieder geschlossen bleiben. Es ist eine Anordnung vom Gesundheitsministerium, um die Pandemie so gut wie möglich einzudämmen. Aber Medjugorje lebt und wirkt durch die sozialen Netzwerke. Sowohl die Heilige Messe als auch die Eucharistische Anbetung, geistliche Meditationen und das Rosenkranzgebet werden über das Internet täglich gestreamt. Mehr als drei Millionen Gläubige auf der ganzen Welt verfolgen jeden Tag das geistliche Programm und die Liturgie aus Medjugorje, die in verschiedene Sprachen übersetzt wird. Medjugorje ist auch zurzeit mit der ganzen Welt verbunden und erlebt diese Zeit trotz allem ohne Panik.

Wir haben leider auch drei Todesfälle in unserer Franziskaner-Gemeinschaft in Medjugorje. Pater Ante Kutleša, der über vierzig Jahre Missionar in der Demokratischen Republik Kongo und der Republik Zaire war, sowie zwei Franziskanerinnen sind an Corona verstorben. Allen anderen unseren Schwestern und Franziskanerpatres geht es gut. Unser Pfarrbüro und all unsere Mitarbeiter, die für das live-streaming und die Übersetzungen verantwortlich sind, sind aktiv und gesund.

Sie haben in Ihrer Osterbotschaft vom „Eucharistischen Fasten“ gesprochen, etwas, was für viele Gläubige in dieser Zeit sehr schwer ist. In Polen, haben wir gehört, sind die Kirchen trotz der Pandemie offen. Wie ist die Situation in Ihrem Heimatland?

Unsere Kirchen sind offen, das ist richtig. Auch finden Heilige Messen statt, jedoch muss ein Mindestabstand von 15 Quadratmetern pro Kirchenbesucher eingehalten werden. Das ist ein bescheidener Schritt in Richtung Normalität, aber trotzdem kann dadurch die Heilige Messe mit den Gläubigen gefeiert werden und nicht bloß via live-streaming mitverfolgt werden.

Ein körperliches Fasten müssen derzeit viele Menschen in den armen Ländern erfahren, in den südlichen Ländern Afrikas, in Südamerika, in Indien, wo die Menschen wegen der Pandemie nicht zur Arbeit gehen dürfen und der Staat nicht helfen kann.

Diese Länder haben ein sehr schwaches Gesundheitssystem und sind daher der Gefahr des Virus besonders ausgesetzt. Daher sind gerade in dieser Zeit unser Engagement, unsere Nächstenliebe und unsere tatkräftige Unterstützung besonders wichtig. Das afrikanische Volk ist für seine Solidarität, Offenheit und sein aufgewecktes Engagement für seine Mitmenschen sehr bekannt. Sie haben schnell auf die Krise reagiert, und so hat jeder, der die Mittel dazu hatte, Schutzmasken für die anderen genäht – wodurch sie sich größtenteils selbst mit Masken versorgen konnten.

Während die Bevölkerung am Land besseren Zugang zur Grundversorgung hat, leiden derzeit besonders die Menschen in den Städten am Nahrungsmittelmangel. Eine Stadt ist viel komplexer, mit manchmal bis zu 15 Millionen Einwohnern. Aufgrund der Bevölkerungsdichte in den Städten befürchtet man in Afrika eine noch größere Anzahl an Menschen, die dem Virus zum Opfer fallen, als in Europa und in den USA.

Was würden Sie jenen sagen, die sich jetzt karitativ engagieren wollen, ich denke dabei auch an Mary`s Meals, eine durch Medjugorje entstandene Hilfsorganisation, die allein in Malawi täglich eine Million Kinder in 1000 Dörfern versorgt?

Wie schon erwähnt ist die Nächstenliebe gerade jetzt besonders gefragt. Wir sind alle dazu eingeladen, mit jenen zu teilen, denen das Nötigste zum Überleben fehlt. Der Nahrungsmitteltransport ist gerade international sehr eingeschränkt. Die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln leidet darunter noch mehr. Es wird empfohlen, sich mit Missionszentren und mit uns vertrauten Hilfsprojekten zu verbinden, um so unseren konkreten Beitrag leisten zu können. Solange die Zahlen der Infizierten in den Entwicklungsländern noch nicht so hoch sind, kann man ihnen noch helfen und sie bei der Bekämpfung des Virus mittels Geldspenden für Nahrung, Hygiene und Schutzmaterial unterstützen.

Der Hl. Vater hat uns in dieser besonderen Zeit zum Rosenkranzgebet aufgerufen. Können Sie uns das Anliegen des Hl. Vaters noch etwas genauer erläutern?

Wir haben das Fest der Auferstehung des Herrn erlebt, vor uns stehen das Fest Christi Himmelfahrt und das Pfingstfest. Jesus ist nach seiner Auferstehung öfters seinen Jüngern erschienen und hat sie mit den Worten „Habt keine Angst, ich bin es!“ und „Der Friede sei mit euch!“ begrüßt; so wie Jesus auch Schwester Faustina aufgetragen hat, den Menschen die Botschaft von Gottes Barmherzigkeit zu überbringen und das Gebet „Jesus, ich vertrau auf Dich!“ zu beten und im Vertrauen zu leben.

Wir erleben die Pandemie nicht nur physisch, politisch und wirtschaftlich, sondern auch metaphysisch, das heißt, wir sollen uns auch nach dem Sinn und nach der Botschaft dieser Pandemie fragen. Was möchte uns Gott damit sagen? Wir haben uns schon in manchen Ländern daran gewöhnt, im Überfluss zu leben und mit dem, was wir haben, verschwenderisch umzugehen. Man weiß, dass ein Drittel der produzierten Nahrung in wohlhabenden Ländern weggeworfen wird.

Es ist die Zeit, um aufzuwachen und unser Leben an unserem Schöpfer zu orientieren – und das gemeinsam mit der Muttergottes, die auch unsere Mutter ist, als Hilfe der Gläubigen und Zuflucht der Sünder. In Medjugorje verehren wir die Muttergottes als Königin des Friedens. Der Friede ist wichtig für das Leben. Es ist eine Zeit, um unser Verständnis über den Sinn des Lebens zu vertiefen, unseren Anker in Gott zu finden und unser Leben vom Egoismus abzuwenden.

Danke, Exzellenz, für das Gespräch.

Ich segne euch alle!