Betrachtung zur Botschaft vom 25. April 2022- Dr. Joachim Heimerl

Dr. Joachim Heimerl

Gedanken zu Botschaft von 25.04.2022

Werdet zu frohen Zeugen der Barmherzigkeit

Ich sehe euch an

Das Berührende an dieser Botschaft ist es, von der Muttergottes selbst zu hören, dass ihre Augen auf uns ruhen und dass uns ihre mütterliche Sorge gilt. Mit genau dieser mütterlichen Sorge aber sagt sie gleich darauf einen Satz, der in erschütternder Weise all das auf den Punkt bringt, was wir gegenwärtig erleben:

… und ich sehe, dass ihr verloren seid.

Was aber bedeutet es, wenn die Muttergottes hier sehr direkt von „verloren“ spricht, und auf welche Weise können wir überhaupt „verloren“ gehen?

Im schlimmsten Fall können wir natürlich zunächst für immer verloren gehen, und obwohl der Verlust unseres ewigen Heils eine grundsätzliche Gefahr ist, ist diese heute kaum noch jemandem bewusst. Stattdessen hat eine schale „Wir kommen alle in den Himmel“-Mentalität um sich gegriffen und all jene erfasst, die ihren katholischen Glauben mit der Beliebigkeit des Zeitgeists verwechseln. In Deutschland erleben wir dies eben in erschreckendem Ausmaß: Was Sünde ist und was nicht, wollen Bischöfe wie Laien dort selbst bestimmen. Glaube und Kirche sollen zum reformatorischen Machwerk jener werden, die meinen, sie könnten dem Himmel Gewalt antun und die eigenen Auffassungen an die Stelle von Gottes Geboten setzen. Dahinter steht freilich nichts anderes als die Versuchung der Schlange, die bekanntlich zu Eva sprach: „Ihr werdet sein wie Gott und Gutes wie Böses erkennen (Gen. 3, 5).“ – Der Mensch aber kann nicht wie Gott sein, und überall dort, wo er es versucht, ist er am Ende tatsächlich nichts als verloren.

Dieses Gefühl, wie verloren zu sein, erleben wir auf einer anderen Ebene gegenwärtig besonders auch im Schrecken des Ukraine-Krieges. Dieser Krieg gibt uns plötzlich eine sehr deutliche Ahnung davon, wie schnell wir all das verloren haben können, was wir zuvor für dauerhaft gehalten haben. Inmitten Europas sind wir so vielleicht schon morgen ebenso verloren, wie es die Ukraine bereits heute ist: Friede, Sicherheit, das vorgebliche Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit – dies alles und viel mehr ist über Nacht ins Wanken geraten. Leiden und Tod herrschen stattdessen an den östlichen Grenzen Europas und erschüttern die falsche Sicherheit, in der wir uns bisher gewiegt haben. Zurecht ist hier sehr oft von einer „Zeitenwende“ die Rede: Frieden und Wohlstand stehen auf dem Spiel und weichen zunehmend dem unguten Gefühl, plötzlich einem blinden Schicksal ausgeliefert zu sein, das Krieg, Teuerung, Instabilität und sogar atomare Bedrohung heißt. Könnte man in kürzester Zeit wirklich noch mehr „verloren“ sein, und spüren wir dies nicht alle?

Deshalb rufe ich euch alle auf: Kehrt zu Gott zurück, kehrt zum Gebet zurück, und der Heilige Geist wird euch mit Seiner Liebe erfüllen, die dem Herzen Freude gibt.

Inmitten dieser Situation lässt uns die Muttergottes jedoch nicht allein, sondern neigt sich liebevoll zu uns herab. Sie will uns helfen, uns aus dem traurigen Zustand zu befreien, in dem wir uns befinden. Möglich ist dies aber nur, wenn wir uns Gott zuwenden und uns zu ihm bekehren. – Jeder weiß natürlich, dass diese Bekehrung nie abgeschlossen ist und dass sie im Grunde jeden Tag neu erfolgen muss. Deshalb kommt es nicht in erster Linie darauf an, wie vollkommen unsere Bekehrung ist, sondern darauf, dass sie konsequent erfolgt. Alles andere dürfen wir dem Heiligen Geist überlassen, der in uns am Werk ist und der uns führt, wenn wir uns ihm öffnen. In dem Moment aber, in dem wir zum Gebet zurückkehren, betet der Geist Gottes ohne Unterlass in uns und schenkt uns jene unzerstörbaren Güter, die die Welt, wie wir sehen, nicht schenken kann: die Liebe, die Freude, den Frieden.

Die Hoffnung wird in euch wachsen, auch auf eine bessere Zukunft.

Aus diesem Grund kann unsere Hoffnung nie von dieser Welt sein, und wann sollten wir das je begreifen, wenn nicht gerade jetzt? Gott wird uns in seiner Gnade eine bessere Zukunft schenken, dessen dürfen wir sicher sein, denn „wir wissen, dass Gott bei denen, die ihn lieben, alles zum Guten führt“ (Röm. 8, 28). – Ob diese bessere Zukunft auf Erden sein wird, wissen wir freilich nicht, wir dürfen aber darauf vertrauen, dass wir sie im Himmel haben werden. In ergreifender Weise hat dies die Muttergottes ganz ähnlich zur Heiligen Bernadette gesagt: „Mein Kind, Sie werden in dieser Welt kaum glücklich werden, wohl aber in der anderen.“ Nur auf die Zukunft in der „anderen Welt“ kommt es wirklich an, und nur sie kann uns niemand entreißen außer wir selbst, wenn wir uns vor Gott verschließen – und wenn wir uns nicht bekehren.

Ihr werdet zu frohen Zeugen der Barmherzigkeit Gottes in und um euch herum.

So hängt unsere Zukunft nicht von Krieg und Frieden ab, sondern allein von Gottes Barmherzigkeit. In der Gewissheit, dass das so ist, soll unser christliches Zeugnis bestehen: Wir sind nicht verloren, sondern durch Gottes Barmherzigkeit gerettet.